Diesel-Praxistest: Saubere Sache?

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Dicke Brocken: Im Praxistest „fütterte“ KFZ-Mechaniker Meister und Motorbootfahrer Peter Haag die beiden Volvos seiner Motoryacht „Nelly“ mit unterschiedlichen Dieselkraftstoffen, um zu prüfen, welcher Sprit Vorteile bringt. (Alle Fotos dieses Beitrags: ©Peter Haag)
Die Princess 35 mit zweimal 200 PS Nennleistung diente während zwei Saisons als Kraftstoff-Testschiff.
Über extra installierte Anzeigen wurden die korrekten Verbräuche und Fahrdaten ermittelt.
Im Anschluss an die Tests wurde das Innere der Motoren per Endoskop sorgfältig auf Verbrennungsrückstände, Schäden und Verschmutzungen untersucht.

Der DMYV unterstützt die Bemühungen, den motorisierten Wassersport umweltgerecht und klimaneutral auszuüben. Denn vor der Herausforderung, die CO2-Emissionen zu senken, steht auch der motorisierte Wassersport. Alternative Kraftstoffe können hier einen Teil dazu beitragen. Während die Benziner noch auf E-Fuels warten, sind Diesel-Alternativen bereits verfügbar. Am 22. November 2023 hat die Bundesregierung dem freien Verkauf von HVO100-Produkten an öffentlichen Tankstellen zugestimmt, sodass das Angebot hier bald größer werden dürfte.

Doch wie bewähren sich KlimaDiesel & Co in der Praxis? Im Gegensatz zur E-Mobilität haben Verbrennungsmotoren, die mit alternativen Kraftstoffen statt fossilem Sprit betrieben werden, in Sachen praktischer Nutzbarkeit den Vorteil, dass auf eine vorhandene Infrastruktur zurückgegriffen werden kann, sich das Problem einer geringen Reichweite bei hoher Leistungsabforderung z.B. in strömungsreichen Revieren, Offshore oder bei schneller Fahrt nicht stellt und keine teure Um- oder Aufrüstung notwendig ist, sondern die Bestandsflotte weitergenutzt werden kann. Trotzdem werden geringere Neuemissionen an CO2 emittiert. Nichtsdestotrotz: „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht“, sagt das Sprichwort und so mag noch Mancher Vorbehalte gegen den „neuen Sprit“ im Tank haben. Peter Haag, KFZ-Meister und ehemals Fach-Dozent an einer KFZ-Meisterschule, erfahrener Motorboot-Fahrer und zudem Vize-Präsident des Landesverbands Motorbootsport Baden-Württemberg wagte den Selbsttest mit dem eigenen Boot.

Kein Problem für viele Motoren

Volvo Penta hat schon vor längerer Zeit die Verwendung von sog. HVO-Diesel (Hydrotreated Vegetable Oils), einem synthetischen, biobasierten Kraftstoff, der aus Abfallstoffen, wie z.B. gebrauchtem Pflanzenfett, hergestellt wird, für die gesamte Motorenpalette freigegeben. Kein Wunder, in Skandinavien ist die Verwendung von sog. HVO keine Besonderheit mehr. Auch Scania, John Deere, Volkswagen und weitere Motorenhersteller haben bereits für bestimmte Motoren-Modelle die Freigabe erteilt.

Womit wir auch schon bei der ersten Alternative zum fossilen Diesel wären, die Peter Haag in einen der beiden Tanks seiner „Nelly“, einer 10,35 Meter langen und 3,7 Meter breiten Princess 35 mit einem „urlaubsklaren“ Gewicht von ca. 8 Tonnen, einfüllte. Zwei Volvo Penta TAMD 41B Sechszylinder-Dieselmotoren mit jeweils 141 KW (200 PS) bringen die „Nelly“ auf eine Marschgeschwindigkeit von ca. 18 Knoten (ca. 33 km/h) bei 2800 U/min.

Alternative Diesel-Kraftstoffe

Genauer gesagt war es der KlimaDiesel 90, der von der Klima-Kraftstoffe GmbH vertrieben wird. KlimaDiesel90 besteht zu 100 Prozent aus biobasiertem, synthetischem Kraftstoff. Die 90 steht dabei für eine lt. Hersteller bis zu 90-prozentige Reduzierung von CO2-Neuemissionen gegenüber fossilem Diesel. Der KlimaDiesel90 erfüllt die Anforderungen der entsprechenden Norm DIN EN 15940 für Kraftstoffe. Der Vollständigkeit halber: Das Unternehmen produziert zudem den KlimaDiesel 25, der aufgrund der Zusammensetzung mit bis zu 33 Prozent HVO bei der Verbrennung lt. Hersteller bis zu 25 Prozent CO2- Neuemissionen einspart.

Als weiterer Kraftstoff kam GTL- (Gas-to-liquid) Diesel zum Einsatz, ein synthetischer Kraftstoff, der aus Erdgas gewonnen wird, und dessen Verbrennung daher naturgemäß nicht dieses Maß an CO2- Neuemissionen im Vergleich zum fossilen Diesel einspart. Immerhin: Bis zu 19 Prozent sollen es sein und auch die giftigen Stickoxide werden bis zu 20 Prozent reduziert. Als weitere Vorteile nennt der Hersteller eine geringere Wassergefährdungsklasse als Diesel (WGK 1 statt 2), die biologische Abbaubarkeit, bis zu 70 Prozent weniger Rußausstoß, bei älteren Motoren soll sogar eine Reduzierung von 95 % gemessen worden sein, zudem soll er weitestgehend schwefelfrei sein.

Vorteile, die auch auf HVO zutreffen und auch bewirken sollen, dass das Motoröl länger nutzbar sein soll, da es weniger verschmutzt wird. Daher verlängern sich die Ölwechselintervalle lt. Hersteller um ca. 200 bis 250 Stunden, was wiederum der Umwelt und dem Geldbeutel zugutekommt. Weiterer Vorteil dieser Kraftstoffe: Sie sind resistent gegen die berüchtigte Dieselpest und die Zugabe entsprechender Additive kann entfallen. Wieder was gespart und Ruhe im Tank!

Zu Beginn der Testreihe im Jahr 2022 kam zudem noch ein weiteres Dieselprodukt zum Einsatz, dass der Vollständigkeit halber ebenfalls genannt werden soll: Der Hersteller HEION hat nach eigenen Angaben ein patentiertes Verfahren zur Reinigung, Veredelung und Herstellung von fossilen Dieselkraftstoffen entwickelt. Den Herstellerangaben zufolge verbrennt der sog. HEION Clean Diesel umweltschonender als herkömmlicher B7-Diesel, was den Verbrauch und damit den CO2 -Ausstoß um bis zu 9,3% im Vergleich zu herkömmlichem Diesel verringern soll. Dieser Wert bezieht sich jedoch lt. Hersteller auf einen PKW im Stadtverkehr, was Rückschlüsse darauf zulässt, dass die Einsparpotentiale beim gleichmäßig laufenden Bootsdiesel geringer ausfallen dürften. In der Tat konnte auch im Rahmen des Praxistests hier weder messbar (Verbrauch) noch in Bezug auf die subjektive Wahrnehmung (Rußbild, Motorlauf) ein Unterschied zum normalen B7 Diesel festgestellt werden.

An Bord

Zurück an Bord! Zur Vorbereitung des Praxistests stand für Peter Haag erstmal etwas Arbeit an: Neben der Prüfung des Ventilspiels, einem Öl- und natürlich Ölfilterwechsel, dem Wechsel der Kraftstofffilter, der Prüfung des Förderbeginns der Einspritzpumpe und der Prüfung des Öffnungsdrucks der Düsen an den beiden Volvos, wurde eine Verbrauchsmessanlage angeschlossen, die die Möglichkeit bot, die Verbräuche der beiden Motoren getrennt auszuweisen.

Nun wurden die Tanks mit den unterschiedlichen Kraftstoffen befüllt und die „Nelly“ konnte im normalen Urlaubs- und Freizeitbetrieb unter Realbedingungen auf Reisen gehen. Dabei wurde auf dem Rhein sowohl zu Tal als auch gegen den Strom mit erhöhter Drehzahl zu Berg gefahren. Neben dem Verbrauch wurde zudem das Rauchverhalten im kalten und warmen Zustand überprüft, das Schmieröl auf Verschmutzungen untersucht, und zum Schluss per Endoskop die Motoren in Bezug auf die innere Sauberkeit überprüft. Zudem war der Motorenlauf ein Kriterium, das von Peter Haag bewertet wurde.

Im Fahrbetrieb ergaben sich hier im Jahr 2023 während der ca. 70 Betriebsstunden folgende Eindrücke: Zwar konnte beim Verbrauch kein signifikanter Unterschied gegenüber dem fossilen Diesel festgestellt werden, jedoch war beim GTL-Diesel als auch bei dem KlimaDiesel90 nur sehr wenig Kaltstartrauch feststellbar, bei Betriebstemperatur war der Rauch kaum noch sichtbar. Im Gegensatz zum normalen B7- und dem Heion-Diesel war dementsprechend auch keine Rußbildung mehr am Heck vorhanden. Auch der typische Dieselgeruch, der auf vielen Yachten allgegenwärtig ist, war zwar noch wahrnehmbar, aber deutlich geringer und nicht so intensiv. Die endoskopische Prüfung der Brennräume ergab keine Auffälligkeiten und Verschmutzungen.

Betriebsstörungen gab es keine, und auch der Motorlauf wurde als runder und leiser wahrgenommen. Das Startverhalten kalt und warm war ohne Beanstandungen und auch das Beschleunigungsverhalten gab keinen Anlass zur Klage. Auch die Geschwindigkeit im üblichen Marschfahrt-Drehzahlbereich war identisch.

Vollgas und Drehzahl

Alles bestens also und keine Einschränkungen? Fast: Die Volllastdrehzahl der beiden Volvos von 3500 U/min wurde nicht mehr erreicht. Lediglich 3300 U/min waren bei Vollgas noch drin, was beim Testschiff zu einem Geschwindigkeitsverlust der Vmax von ca. 4 km/h führte. Peter Haag führt das auf die etwas geringere Dichte von Klimadiesel und GTL (0,78-0,81 kg/l bzw. 0,75 kg/l) gegenüber B7-Diesel und Heion-Diesel (0,83 kg/l) zurück. Das hatte auf dem Testboot zwar keine praktischen Auswirkungen, da das Boot ausreichend motorisiert ist und genug Leistungsreserven hat und daher nicht mit Vollgas gefahren werden muss, kann aber in entsprechenden Situationen bei schwächer motorisierten oder stark beladenen Booten ggf. zu Einschränkungen führen, wenn die Leistungsreserven des Motors voll ausgereizt werden sollen. „Da gibt’s aber Möglichkeiten, die Einspritzpumpen auf dem Prüfstand anzupassen, um das wieder auszugleichen“, so KFZ-Meister und Motorbootfahrer Peter Haag schmunzelnd. Aber das ist dann eine andere Geschichte.

Fazit:

Klimadiesel & Co stellen eine echte Alternative zum normalen fossilen Diesel dar. Je nach den Grundstoffen sind CO2 -Einsparungen von bis zu 90 Prozent drin und auch die Emissionen weiterer Schadstoffe sind klar vermindert. Das ist ein echtes Plus für die Umwelt und hilft, die Akzeptanz des motorisierten Wassersports zu steigern.

Die Empfehlung geht dabei klar in Richtung der biobasierten Kraftstoffe wie z.B KlimaDiesel 90, dessen Verfügbarkeit in der Zukunft größer werden dürfte. Auch praktisch gibt’s für Skipper und Crew Vorteile: Eine saubere Verbrennung, weniger Dieselgeruch und ruhiger Motorlauf steigern den Fahrkomfort. Zudem sind die Kraftstoffe resistent gegen Dieselpest. Ein geringer Mehrpreis des Kraftstoffs wird durch den Komfortgewinn, das gute Gefühl, umweltgerechter unterwegs zu sein, verlängerte Ölwechselintervalle und den Entfall der Notwendigkeit, Additive gegen Dieselpest hinzuzufügen, wieder aufgewogen.


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